Die ausgewählten Haiku nehmen den Leser mit auf eine Entdeckungsreise durch die Jahreszeiten und die Wunder der Natur. Das Haiku ist eine traditionelle japanische Gedichtform und gilt als das kürzeste Gedicht der Welt. In der japanischen Sprache besteht ein Haiku in der Regel aus 17 Lauteinheiten (Moren). Haiku beziehen sich stets auf die Gegenwart und bringen mit ihrer besonderen lakonischen Darstellung die Macht der Worte zur Entfaltung. Sie beschreiben einen Augenblick ohne Exemplifikation oder direkte Wertung. Die wenigen schlichten Worte und die Gestaltung des Moments ergeben eine spezifische Harmonie zwischen Inhalt und Form, die den Gedanken der Assoziationen und Sinneseindrücke miteinander verknüpft. Ein wesentlicher Aspekt ist die Auswahl des Themas. Meist sind dabei Bilder und Motive interessant, die zwar für alle Menschen sichtbar und fühlbar sind, im Alltag jedoch häufig durch selektive Wahrnehmung ausgeblendet werden. Haiku lenken den Blick auf Verborgenes und sensibilisieren die Sinne. Die Betrachtung geschieht in einer Haltung tiefsten inneren Respekts vor dem vermeintlich Kleinen, Unscheinbaren und zeigt es in seiner eigenen Schönheit. Das Haiku ist die signifikante Darstellung eines Ereignisses oder eines Zustands aus der Sicht eines Beobachters. Diese objektive Wahrnehmung wird auf eine offene Weise dargestellt, die in der Vorstellung des Lesers Assoziationen an eigene Wahrnehmungen und subjektive Eindrücke weckt. In der traditionellen Haiku-Dichtung gibt es fast immer einen Bezug zu Natur. Dieser wird in der Regel mit einem Jahreszeitenwort (Kigo) hergestellt. Bei längerer Betrachtung können die Bilder bzw. die Symbole aus der Natur zum Spiegelbild der menschlichen Seele werden, hingegen kommen Emotionen oder persönliche Gefühle im Haiku - im Gegensatz zum Senryu - nicht unmittelbar zum Ausdruck. Aus Kürze, Form und Inhalt ergibt sich als unentbehrliche Eigenschaft jeden Haikus sein besonderer Ton, ein zauberhafter Nachhall.